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Keramik-Workshop

 

ZÄHLE DIE TAGE MEINER FLUCHT, SAMMLE MEINE TRÄNEN IN DEINEM KRUG; OHNE ZWEIFEL, DU ZÄHLST SIE.

 

PSALM 56, 9

DON'T LET THEM SEE ME CRY

Samantha LaGoy (Volontärin, USA)

Es war ein besonderer Morgen. Ich hatte gerade eine schwere Zeit und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Meine Familie in den USA würde sich bald für die Hochzeit meines jüngeren Bruders treffen und ich könnte nicht dabei sein. Ich wollte meine Schicht beenden ohne zu weinen, obwohl ich den Tränen nahe war, als Shoshana, die Frau des Managers, mich fragte, wie es mir ginge. Ich konnte nicht mehr. Die Tränen begannen nur so zu fließen. Ich konnte sie nicht länger zurückhalten. Ich ließ die Bewohnerin mit einer anderen Pflegerin zurück und lief ins Bad um meine Fassung zurück zu gewinnen.

Monatelang hatte ich zu Gott gebetet, mir mit dieser bestimmten Bewohnerin zu helfen. Sie ist eine unserer Holocaustüberlebenden und wurde über die Jahre infolge der Schwere ihres Lebens immer härter. Sie baute eine Mauer um ihr Herz. Oft war diese Härte der Ursprung der Tränen von Schwestern und Pflegekräften, die ihr helfen wollten.

 

Diese wertvolle Dame (gemeinsam mit vielen anderen hier, die ähnliche Geschichten haben) ist durch so vieles in ihrem Leben gegangen. Während dem Holocaust wurden ihr Vater und ihr Bruder ermordet - nur weil sie Juden waren. Zusammen mit ihren Schwestern landete sie letzten Endes in einem sibierischen Arbeitslager. Obwohl sie ihr Leben Yeshua (Jesus) übergeben hatte, musste sie viel Leid und Schmerzen aus ihrer Vergangenheit verarbeiten, der sie schließlich sehr hart werden ließ.

 

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und zurück kam, hörte ich sie mit einer ernsten und strengen Stimme rufen: „Samantha, komm her!“ Keine Frage. Ich musste zu ihr gehen und alles erklären. Sie wollte wissen, ob sie mich verletzt hatte, als sie sich etwas früher am Tag über mich aufregte. Und sie sagte mir, wie sehr es ihr Leid tat, dass sie mich angeschrien hatte. Ich versicherte ihr, dass es nicht ihre Schuld war, sondern dass ich meine Familie vermisste. Ich erzählte ihr, dass mein kleiner Bruder in ein paar Stunden heiraten würde und deshalb gerade meine gesamte Familie zusammen ist. Meine Tränen begannen erneut zu fließen, und ich bemerkte, dass sie auch weinte. Es war, als gäben meine Tränen ihr die Erlaubnis zu weinen und endlich loszulassen, was sie jahrelang zurückgehalten hatte. Sie fragte vorsichtig: „Du vermisst deine Familie auch? Ich vermisse meine Familie.“ Sie kramte einen Briefumschlag mit Fotos hervor und zeigte mir unter Tränen ihren Vater und ihren Bruder, die während dem Holocaust umgebracht wurden und erklärte mir, das sie immer noch ihre Familie vermisst.

Doch schon nach kurzer Zeit wischte sie ihre Tränen weg, richtete sich auf. „Lass die anderen nicht sehen, wie ich weine.“, meinte sie. Sie schämte sich für ihre Tränen.

         Als ich sie in den Arm nahm, sagte ich ihr, dass es richtig ist auch mal Tränen fließen zu lassen. Es ist nicht falsch zu weinen. Sie müsste sie nicht länger zurückhalten. Und für ein paar Minuten taten wir beide genau das... wir erlaubten uns zu weinen.

 So fing das Herz dieser wunderbaren alten Dame an zu heilen und ich durfte diesen Prozess miterleben. Ihre Mauer begann zu bröckeln und langsam einzufallen. Wenn in der Vergangenheit sie niemals wollte, dass sie jemand umarmt und sie sich bei jeder Berührung verkrampfte, wurde sie jetzt mit jedem Tag weicher. Nachdem sie ihren Tränen freien Lauf gelassen hatte, begann sie unsere bedingungslose Liebe zu beantworten. Sie liebte uns zurück - so leidenschaftlich! Jetzt hält sie uns Mädels fest umarmt, schaukelt hin und her und sagt uns, wie sehr sie uns liebt! Es ist so besonders zu sehen, wie sanft sie seit diesem Tag geworden ist und wie sie jetzt im Stande ist ihre Gefühle auszudrücken.

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 Auf dem Karmel 

Ich frage mich oft, wie es geworden wäre, wenn ich mich geweigert hätte meine Gefühle zu zeigen. Was wäre, wenn ich dieser wunderbaren Lady nicht erlaubt hätte Zeuge meiner Tränen zu werden? ... wenn ich ihr dieses Geschenk vorenthalten hätte? Würde sie sich immer noch dagegen wehren ihren Tränen freien Lauf zu lassen? Würde sie immer noch dem Heilungsprozess nicht erlauben endlich zu beginnen?

 

Ich habe immer versucht meine Tränen zu verstecken, genauso wie viele andere von uns. Nie wollte ich, dass jemand mich weinen sieht. Aber an diesem Tag zeigte mir Gott, wie wichtig es ist, sich nicht seiner Tränen zu schämen. Gott gab uns nicht grundlos Tränen und er möchte uns heilen. Ich fing an zu begreifen, dass wenn wir unsere Tränen verstecken, wir andere der Heilung berauben, die Gott durch uns für sie bereithält.

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